Grüninger, R., Specht, I., Lewalter, D. & Schnotz, W. (2013)

Fragile knowledge and conflicting evidence: what effects do contiguity and personal characteristics of museum visitors have on their processing depth?

EINE ZUSAMMENFASSUNG

In der Vergangenheit vermittelten Museen vor allem unstrittiges, von Experten als gesichert angesehenes Wissen. Heutzutage verändert sich Wissen jedoch durch schnelle Entwicklungen in Forschung und Technologie kontinuierlich, so dass wir oft mit fragilem und inkonsistentem Wissen zu tun haben. Um Ausstellungen zu entwickeln, die Besuchende zu einer differenzierten Informationsverarbeitung anregen, müssen Museumsprofessionals wissen, wie die Besuchende mit diesen zum Teil widersprüchlichen Informationen umgehen. Außerdem werden Informationen über persönliche und situationale Faktoren benötigt, die die Verarbeitung solcher Informationen beeinflussen und fördern können. 

In ihrer Studie haben Grüninger und Kollegen untersucht, inwiefern die Verarbeitung widersprüchlicher Informationen zum einen von persönlichen Merkmalen der Besuchenden und zum anderen von der räumlichen Anordnung der Informationen beeinflusst wird. Als Persönlichkeitsmerkmale haben sie das situationale Interesse, die epistemischen Überzeugungen, die Ambiguitätstoleranz und die Selbstwirksamkeit in den Blick genommen. In zwei naturwissenschaftlichen Museen (Deutsches Museum München, Technosuem) und einem kulturhistorischen Museum (Germanisches Nationalmuseum) wurden Textpaare ausgestellt, die ein Thema aus gegensätzlichen Perspektiven erklärten.  Der räumliche Abstand zwischen den beiden Texten wurde manipuliert: Während einigen Besuchenden die Texte direkt neben einander präsentiert wurden, gab es bei den anderen Besuchenden einen Abstand von zwei Metern zwischen den Texten.

Fragebögen und halb-strukturierte Interviews erfassten die persönlichen Eigenschaften der Besuchenden und ihren Umgang mit den kontroversen Informationen. Es zeigte sich, dass die Mehrheit der Besuchenden die dargebotenen Konflikte wahrnahm und ein großer Teil bereit war, sich eingehender mit dem Thema auseinander zu setzen. Die Autor*innen untersuchten, wie sich die Personenmerkmale auf die Verarbeitung der konflikthaften Informationen auswirken. Das Modell mit der besten Passung legt nahe, dass reflektierte epistemische Überzeugungen, eine hohe Ambiguitätstoleranz und eine hohe Selbstwirksamkeit dazu beitragen, dass das situationale Interesse an kontroversen Informationen steigt. Ein hohes situationales Interesse wiederum unterstützt die Tendenz zu einer vertieften Verarbeitung der Informationen. Bezüglich der räumlichen Anordnung der Texte ergab sich, dass die Platzierung von Textpaaren direkt nebeneinander einen positiven Einfluss auf die Verarbeitungstiefe in den naturwissenschaftlichen Museen hat. Dies fand sich allerdings nicht im kulturhistorischen Museum. Die Autor*innen sehen eine mögliche Erklärung in der deutlich höheren Informations­dichte in den naturwissenschaftlich-technischen Museen im Vergleich zum kulturhistorischen Museum. Sie vermuten, dass die Beschäftigung mit zusätzlichen Informationen zwischen der Auseinander­setzung mit der ersten und zweiten Konfliktposition in naturwissenschaftlich-technischen Museen die Verarbeitung der konflikthaften Information beeinträchtigt hat. Es ist somit nicht die Distanz zwischen den konfligierenden Informationen für die Konfliktverarbeitung entscheidend, sondern vielmehr die räumlich-thematische Dichte des gesamten Informations­angebotes im Museum, also ob zwischen den konfligierenden Informationen weitere Informa­tionen präsentiert werden. 

Insgesamt erscheint es sinnvoll bei der Gestaltung von Ausstellungen darauf zu achten, dass kontroverse Informationen entweder direkt als solche gekennzeichnet oder direkt nebeneinander platziert werden.