Rothmund, T., Gollwitzer, M., Nauroth, P., & Bender, J. (2017)

Motivierte Wissenschaftsrezeption

EINE ZUSAMMENFASSUNG

Als motivierte Wissenschaftsrezeption wird das Phänomen bezeichnet, bei dem die kognitive Verarbeitung wissenschaftlicher Evidenz durch den motivationalen Zustand des Rezipienten beeinflusst wird.  Es ist also eine Art der Wahrnehmungsverzerrung, bei der wissenschaftliche Ergebnisse so interpretiert werden, dass sie zum eigenen Weltbild passen. Dabei können motivationale Zustände mehr oder weniger stark im Einklang (kongruent) bzw. im Konflikt (inkongruent) mit einer wissenschaftlichen Erkenntnis stehen. Dies führt dazu, dass der Rezipient Schlussfolgerungen tendenziell so zieht, dass sie vor dem Hintergrund individueller Ziele, Bedürfnisse und motivationaler Zustände im Einklang sind mit der persönlichen Motivlage.  Um trotzdem die eigenen Schlussfolgerungen als rational bewerten zu können, werden beispielsweise kongruent und inkongruente Information einer unterschiedlich strengen Überprüfung unterworfen. Psychologisch kann motivierte Wissenschaftsrezeption dadurch erklärt werden, dass Menschen kongruente Informationen präferieren, um negative Kognitionen und Emotionen, die als unangenehm oder bedrohlich wahrgenommen werden könnten, zu vermeiden. Im Bereich der „socio-scientific issues“ kann das Verständnis der motivierten Wissenschaftsrezeption einen wichtigen Beitrag zur Analyse dieser Kontroversen bieten.