Kokerei in Ordos, Innere Mongolei, März 2005 | Foto: Lu Guang (Contact Press Images)

Black Gold and China.
Fotografien von Lu Guang

INHALT

Black Gold and China – Fotografien von Lu Guang“ ist eine Sonderausstellung des Deutschen Bergbau-Museums Bochum, Leibniz-Forschungsmuseum für Georessourcen. Sie wurde am 09.12.2021 eröffnet und kann bis zum 17.04.2022 besucht werden. 

Lu Guang (*1961) ist einer der wenigen frei arbeitenden Fotografen Chinas. „Black Gold and China“ ist seine erste monografische Ausstellung außerhalb der Volksrepublik. Eindrucksvoll gibt die Sonderausstellung in über hundert Werken chinesischen Steinkohlenbergbau zwischen 1995 und 2017 sowie dessen Auswirkungen auf Mensch und Natur wieder. So zeigen die Werke beispielsweise den dichten Qualm der Fabriken, illegal entsorgte Abwässer, Arbeiter*innen in prekären Verhältnissen und wortwörtlich verwüstete Felder. Die Fotografien wirken dabei nie voyeuristisch. Sie sind vom Künstler als weltweiter Appell für den Umweltschutz und gegen soziale Ungerechtigkeit gemeint. Zusätzlich zu ihrem dokumentierenden Charakter haben die Werke eine starke künstlerische Komponente. Die expressiven Bildkompositionen und kräftigen Farben bilden einen einschneidenden Kontrast zu den zum Teil emotional aufwühlenden Motiven.

Das Anthropozän erforschen und vermitteln

Mit der Ausstellung „Black Gold and China“ zeigt das Museum nicht allein den Kohleabbau in China und dessen Folgen, es initiiert hiermit im Rahmen seines Programmbereichs „Landschaften – Von der Prospektion bis zur Folgelandschaft: Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaften“ eine Sonderausstellungsreihe zur künstlerischen Rezeption des Anthropozän. Der Programmbereich erforscht die Abhängigkeiten zwischen den Folgen des Bergbaus und des Umweltwandels aus naturwissenschaftlicher, kulturanthropologischer, archäologischer und historischer Sicht. Neben Positionen aus der Forschung wird die geplante Sonderausstellungsreihe auch Perspektiven aus der zeitgenössischen Kunst zum Einfluss des Menschen auf die Umwelt aufnehmen. Ein umfassendes Vermittlungs- und Veranstaltungsprogramm gibt Möglichkeiten zum Wissenserwerb, aber vor allem auch zum Dialog und Diskurs.

AUFBAU

Ausstellungsansicht | Künstlerfotos: Lu Guang (Contact Press Images) | Ausstellungsfoto: Sascha Kreklau

Die Fotografien der Sonderausstellung entstanden über einen Zeitraum von 20 Jahren und sind in einem chronologischen Ablauf angeordnet, der die dokumentierten Veränderungen greifbar macht. Untermauert von Zitaten des Fotografen, die wie ein Reisetagebuch durch die Ausstellung führen, treten die Besuchenden den verheerenden Arbeitsbedingungen und Umweltschäden entgegen. Die Sonderausstellung erstreckt sich über zwei Etagen. Auf beiden Etagen befindet sich jeweils im Eingangsbereich eine Karte der Volksrepublik China, auf der die Kohle- und Industriegebiete besonders hervorgehoben werden, um den Besuchenden eine leichtere Einordnung zu ermöglichen.

Beim Betreten der Sonderausstellung fällt auf, dass die ersten, im Jahr 1995 entstandenen Fotografien, noch auf Schwarz-Weiß-Film festgehalten wurden. Diese frühen Bilder des Projektes befinden sich in einem tunnelartigen Gang, den die Besuchenden durchschreiten müssen. Auch die weiteren Stationen der Ausstellung haben einen oftmals bedrückenden Charakter: Die Wände sind verwinkelt und die Besuchenden können von keinem Standpunkt aus alle Bilder gleichzeitig betrachten. Die kraftvollen Farben der späteren Werke heben sich dabei deutlich von den grauen Wänden der Ausstellungsräume ab.

Ein Fuchs sucht nach Futter auf dem aufgewühlten Weideland bei der Tagebau-Zeche Muli. Muli, Provinz Qinghai, Juni 2014 | Foto: Lu Guang (Contact Press Images)

Den Epilog der Ausstellung bildet auf Wunsch des Künstlers ein Text des verstorbenen chinesischen Poeten und Aktivisten Hu Donglin, der an die Verantwortung jedes Einzelnen im Kampf gegen Umweltzerstörung und Klimawandel appelliert. Der Epilog sticht farblich hervor, da es der einzige Text auf weißem Grund ist. Erst ganz am Ende der Ausstellung begegnen die Besuchenden dem Künstler „persönlich“: Das Porträt Lu Guangs und eine kurze Biografie bilden den Abschluss der fotografischen Reise.

Kontroversen präsentieren

Das kuratorische Team Sandra Badelt (Deutsches Bergbau-Museum Bochum) und Robert Pledge (Contact Press Images) im Gespräch | Foto: Sascha Kreklau

Da die Themen „Umwelt“ und „China“ bereits für sich genommen Teil eines kontroversen Diskurses sind und insbesondere in Kombination zu aufgeladenen Diskussionen führen können, stand das Ausstellungsteam vor der Herausforderung, sich beim Erarbeiten des Begleitmaterials stets weder zu kritisch noch zu nachsichtig zu zeigen – sowohl beim Blick auf China als auch in Bezug auf die Verantwortung des sogenannten Westens. Denn die Sonderausstellung wirft Fragen auf, die nicht allein Missstände in anderen Ländern betreffen, sondern auch das Konsumverhalten hier in Deutschland problematisieren.

Die Fotografien für sich sprechen lassen…

Es wurde entschieden, die Bilder weitestgehend für sich selbst sprechen zu lassen und innerhalb der Ausstellungsräume auf erklärende Wandtexte zu verzichten. Stattdessen werden die Werke durch Zitate aus den Reiseberichten Lu Guangs begleitet. Die Stimme des Künstlers, in all ihrer Subjektivität, erlaubt den Besuchenden einen ganz persönlichen Zugang zu den Werken. Die einzigen zusätzlichen Wandtexte sind eine Einführung, der Epilog und die Kurzbiografie Lu Guangs.

…und die Hintergründe vermitteln

Als Leibniz-Forschungsmuseum für Georessourcen spricht das Deutsche Bergbau-Museum Bochum andere Zielgruppen an als etwa ein Kunstmuseum, daher kommt die Ausstellung nicht gänzlich ohne erläuternde Texte aus. An der Kasse erhalten die Besuchende der Sonderausstellung einen kostenlosen Kurzführer, der Hintergründe und Zusammenhänge erklärt, die sich aus der bloßen Betrachtung der Werke nicht ergeben. So geht der Kurzführer beispielsweise auf Themen wie Wanderarbeit, Produktionsbedingungen und Erkrankungen ein, aber auch auf Klimaschutz und erneuerbare Energien in China. Die Texte sollen ein tieferes Verständnis fördern und den Besuchenden ermöglichen, sich anhand von Fakten eine ausgewogene Meinung zu bilden. Der Kurzführer ist dabei stets um Sachlichkeit bemüht, denn dem Team war von Anfang an bewusst, dass zwischen sogenanntem „China-Bashing“ und einer Verharmlosung der Umstände oftmals nur ein schmaler Grat liegt. Daher legte es Wert auf eine globale Einordnung, bei der auch die Konsequenzen deutschen Konsumverhaltens nicht ausgelassen werden sollten. Missstände in der chinesischen Industrie macht der Kurzführer als solche kenntlich, betont jedoch auch die Verantwortung europäischer Hersteller und Konsumenten.

Analoges und digitales Begleitprogramm

Eine weitere Einordnung der Thematik erfolgt durch begleitende Veranstaltungen. Zu diesen zählen ein Art-Talk, der sich mit den Darstellungen des Anthropozän in der (Dokumentar-)Fotografie und zeitgenössischen Kunst allgemein befasst, eine Expertenrunde zum modernen chinesischen Bergbau, der auch die bereits erreichten Verbesserungen in den Produktionsumständen beleuchtet, sowie eine Podiumsdiskussion im öffentlichen Stadtraum, mit der auch Nicht-Museumsbesuchende mit den Themen in Kontakt kommen sollen.

Zusätzlich zu diesem analogen Begleitprogramm erschienen zwei digitale Anwendungen, die vor allem jüngeren Besuchenden die Thematik näherbringen: In der App „MuseumStars“ lernen die Spielenden in einer kleinen Quiz-Challenge mehr darüber, wie auch ganz Alltägliches, etwa das Ansehen einer Serie auf Netflix, große Mengen CO2 freisetzt und warum genau dies schlecht für das Klima ist. Durch diesen direkten Bezug wird den Nutzer*innen ermöglicht, spielerisch mehr über Steinkohle, ihren eigenen CO2-Fußabdruck und den Zusammenhang des eigenen Konsums mit Bergbau und Industrie in China zu lernen.

Die fünf Avatare aus der Museums-App führen auch durch die Sonderausstellung

In der digitalen „Entdecker-Tour“ zur Sonderausstellung steht vor allem der lokale Bezug zur Region im Vordergrund, denn viele der Problematiken, die heute in China auftreten, gab es in der Vergangenheit auch im Ruhrgebiet. Fünf Avatare – eine Unternehmerin, ein Mediziner, ein Techniker, ein Geowissenschaftler sowie ein Gewerkschafter – führen sonst durch den Steinkohle-Rundgang der Dauerausstellung. In der Sonderausstellung bringen sie den Besuchenden sowohl die Verhältnisse in China als auch die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zur Bergbauvergangenheit des Ruhrgebiets auf eine spannende Art näher. Dabei wird auch das Themenfeld des Anthropozäns aufgegriffen und an einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Planeten appelliert.

Aktuell wie nie

Das Thema der Sonderausstellung ist aktuell wie nie. Die Klimakonferenz in Glasgow fand kurz vor der Eröffnung der Bochumer Ausstellung statt. Im Vorlauf hatte sich China das Ziel der Klimaneutralität bis 2060 gesetzt – ein ambitioniertes Vorhaben, trotz führender Rolle im Bereich der erneuerbaren Energien. Wir hoffen, dass die Sonderausstellung nicht nur zum Nachdenken, sondern auch zum Handeln anregt. Jede*r einzelne kann einen kleinen Teil zum Schutz dieses Planeten beitragen – oder um es mit Lu Guangs Worten zu sagen:

Im Laufe der Jahre ist mir immer bewusster geworden, dass wir nur eine Erde haben, die wir uns teilen. Sie zu schützen ist die Pflicht eines jeden Menschen, der auf ihr lebt.

Lu Guang

Beijing, Mai 2006 | Foto: Fundang Sheng (Contact Press Images)

Hier gibt es einen Kurzfilm über Lu Guangs Leben, sein Schaffen und die Ausstellung:

Vielen Dank an die Kuratorin Sandra Badelt, Leitung der Abteilung Ausstellung & Vermittlung des Deutschen Bergbau-Museum Bochum, sowie an den Kurator Robert Pledge, Mitbegründer und Editorial Director der Bildagentur Contact Press Images (New York), die Lu Guang vertritt. Zudem gilt ein besonderer Dank Xu Xiaoli, die seit 2004 mit Recherchen, Organisation und Konzeption für das Projekt »Black Gold« befasst ist. In gleichem Maße gilt der Dank den zahlreichen Mitarbeitenden am Deutschen Bergbau-Museum Bochum sowie bei Contact Press Images, die unermüdlich im Hintergrund wirkten und die Ausstellung erst ermöglichten. Der größte Dank gilt natürlich Lu Guang selbst für sein zutiefst beeindruckendes und inspirierendes Werk sowie die Möglichkeit, es im Rahmen der Sonderausstellung im Deutschen Bergbau-Museum Bochum präsentieren zu können!