Was ist eine wissenschaftliche Kontroverse?

Eine Kontroverse ist ein andauernder Konflikt zwischen mehreren sachbezogenen Meinungen, der nicht unmittelbar gelöst werden kann. Kontroversen gehören zum Alltag der Wissenschaft, denn zwischen Wissenschaftler*innen besteht oft Uneinigkeit über Ergebnisse, theoretische Annahmen, Methoden oder Randbedingungen wissenschaftlicher Forschung. Dies führt zu konkurrierenden Geltungsbehauptungen, die „sowohl ausdrückliche Widersprüche zwischen den wissenschaftlichen Aussagen unterschiedlicher Experten [betreffen] als auch Inkohärenzen, die sich daraus ergeben, dass gleiche Phänomene aus unterschiedlichen theoretischen Perspektiven diskutiert werden“ (Bromme & Kienhues, 2014, S. 59). Neben innerwissenschaftlichen Disputen betrifft dies auch Meinungsverschiedenheiten zu den Konsequenzen wissenschaftlicher Erkenntnisse für politische oder gesellschaftliche Entscheidungen. Diese sogenannten socio-scientific issues bilden somit eine weitere wichtige Klasse wissenschaftsbezogener Kontroversen (Bromme & Kienhues, 2014).

Kontroversen als zentraler Antrieb wissenschaftlichen Fortschritts

Kontroversen beruhen auf einem Dialog zwischen Beteiligten, die zu einer wissenschaftlichen Frage „gegensätzliche Auffassungen haben und aneinander Kritik üben, was diese Frage angeht“ (Dascal 2006, S. 24 & vgl. S. 25). Der Meinungsaustausch kann im direkten Gespräch, auf wissenschaftlichen Tagungen, durch Publikationen in wissenschaftlichen Fachzeitschriften, oder – im Falle von socio-scientific issues – auch in der Öffentlichkeit, zum Beispiel in den Massenmedien oder im Internet stattfinden. Zwar werden wissenschaftliche Kontroversen von der Laienöffentlichkeit häufig negativ bewertet, tatsächlich sind sie aber ein zentraler Antrieb wissenschaftlichen Fortschritts. Sie können neue Erkenntnisse und Ideen fördern und spielen deshalb „eine wichtige Rolle in der kollektiven Konstruktion wissenschaftlichen Wissens“ (Bromme & Kienhues, 2014, S. 30). Letztlich werden wissenschaftliche Kontroversen meist durch argumentatives Überzeugen, Re-Interpretation, Meinungsänderungen oder Einbezug weiterer empirischer Evidenzen oder Erkenntnisse beigelegt. Im Falle von socio-scientific issues führt dies zusätzlich dazu, dass die ethischen (sozialen, politischen und kulturellen) Konsequenzen von wissenschaftlichen und technologischen Fortschritten thematisiert und in weiteren Diskussions- und Entwicklungsprozessen berücksichtigt werden.