Museen gegen Filter Bubbles

Entstehung von Filter Bubbles

Durch die personalisierten Algorithmen der Suchmaschinen und der Social-Media-Anbieter ist die Gefahr stark angestiegen, dass sich Nutzende in einer sogenannten “Filterblase” (filter bubble) von Informationen bewegen. Algorithmen filtern aus dem riesigen, unüberschaubaren Informationsuniversum der digitalen Welt maßgeschneidert Informationen, die am besten zu den Interessen, Wünschen, Kenntnissen und Einstellungen des jeweiligen Nutzenden passen (Gorman, 2020). Dies entlastet Nutzende einerseits von aufwändigen Auswahlprozessen, führt aber gleichzeitig dazu, dass Meldungen und Informationen, die nicht mit dem eigenen Weltbild kompatibel sind, seltener präsentiert und zur Kenntnis genommen werden.

Motivierte Wissenschaftsrezeption

Dadurch verstärken sich Tendenzen, die generell den Umgang mit Informationen beeinflussen. Menschen neigen dazu, wissenschaftliche Erkenntnisse und Modelle so zu rezipieren und zu interpretieren, dass sie mit ihrem Weltbild und ihren Motiven im Einklang stehen. Diese sogenannte motivierte Wissenschaftsrezeption kann – je nach Position der Rezipienten – Unterschiedliches bewirken. Sie kann sich einerseits in einer forschungsunkritischen Verarbeitung und Informationsübernahme äußern, andererseits in einer Vermeidung bestimmter Informationen, einer wissenschaftsskeptischen Suche nach wiederlegenden Informationen und damit in forschungskritischen Verarbeitungsprozessen (Rothmund, Gollwitzer, Nauroth, & Bender, 2017).

Museen als vertrauenswürdige Informationsquellen

Im Gegensatz zum Internet, das seine Nutzer*innen mit einer unübersichtlichen und schwer zu beurteilenden Menge von Informationen unterschiedlichster Qualität konfrontiert, gelten Museen als vertrauenswürdige Institutionen, denen als Wissenschaftskommunikatoren eine seriöse Auswahl, „Übersetzung“ und Präsentation wissenschaftlicher Themen zugeschrieben wird. Eine umfangreiche US-amerikanischen Studie (Impacts Experience, 2019) ergab, dass die Befragten naturwissenschaftliche Museen und Science Center als vertrauenswürdige Informationsquellen schätzen. Museen wurden zudem als vertrauenswürdiger als Fernsehen, Tageszeitungen oder Internet beurteilt. Die Autoren der Studie kommen deshalb zu dem Schluss: „Museums have a responsibility to be the superheroes for not-alternative facts„.

Da Museen mit diesem hohen Vertrauensvorschuss ausgestattet sind, können sie der stark individuell geprägten Sicht von Besuchenden eine ausgewogenere, evidenzbasierte Darstellung entgegensetzen, ohne von vornherein auf eine forschungskritische Ablehnung zu stoßen. Dies deckt sich mit dem Selbstverständnis der Bildungs- und Vermittlungsarbeit in Museen, die darauf abzielt, dass von ihr “möglichst viele Menschen unabhängig von ihren jeweiligen Voraussetzungen profitieren” (Deutscher Museumsbund, 2020). Durch multiperspektivische Zugänge können Filterblasen-Effekte vermieden werden. Dies ist besonders für Themen wichtig, die auf gesellschaftlicher Ebene kontrovers diskutiert werden.

Kommunikationsstrategien

Die Forschung hat eine Reihe von Kommunikationsstrategien identifiziert, die den Einfluss von Werten und Überzeugungen auf die Auseinandersetzung mit kontroversen naturwissenschaftlichen Themen reduzieren (Bromme, 2020). Beispielsweise kann durch entsprechende thematische Einbettung (sog. framing) und Wortwahl vermieden werden, dass die Präsentation als unmittelbare Bedrohung des eigenen Weltbilds wahrgenommen wird (Bromme, 2020). Dazu gehören auch Hintergrundinformationen über wissenschaftliche Prinzipien der „Wahrheitsfindung“, die Bedeutung wissenschaftlicher Institutionen und die Funktion des innerwissenschaftlichen Konsenses für die Gültigkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse, wie sie beispielsweise im Konzept des „public understanding of research“ (PUR) bereits Eingang in die Ausstellungspraxis gefunden haben. Darüber hinaus können Besuchende direkt mit Wissenschaftler*innen ins Gespräch gebracht werden, sei es in Begleitveranstaltungen zu Ausstellungen oder in sog. “gläsernen Laboren. Besuchende werden folglich nicht nur informiert, sondern auch mit Wissenschaft als sozialem Netzwerk in Kontakt gebracht. Dadurch wird ihr wissenschaftsbezogenes “soziales Kapital” gesteigert (Gorman, 2020).