Kontroversen und Partizipation

Aktive Teilnahme erwünscht

Naturwissenschaftliche Museen sehen sich zunehmend als Vermittler zwischen der Öffentlichkeit und spezifischen Interessengruppen und bieten unterschiedlichste Formate an, um ethische, rechtliche und soziale Aspekte der naturwissenschaftlichen und technologischen Forschung zu diskutieren (Bandelli & Konijn, 2011; Chittenden, 2011; Meyer, 2009). Dabei geht es nicht nur um das Führen und Fördern des Dialogs, sondern zusätzlich auch um eine aktive Teilnahme der Besuchenden an der demokratischen Entwicklung der Wissenschaft. Durch Partizipation der Bevölkerung (auf Englisch: Public Engagement of Science (PES) oder einfach science engagement) sollen Wissenschaftler*innen, politische Entscheidungsträger*innen und die Bevölkerung zusammengebracht werden, sodass voneinander gelernt und konstruktive Kritik geübt werden kann (Chittenden, 2011). Kontroverse naturwissenschaftliche Ausstellungsthemen, wie z.B. Nanotechnologie oder Klimawandel sind wegen des öffentlichen Interesses und ihrem konflikthaften Charakter für die Partizipation von Museumsbesucher*innen besonders gut geeignet.

Möglichkeiten zur Förderung von Partizipation im Museum

Es gibt unterschiedliche Ansätze, Museumsbesucher*innen zur Partizipation zu bewegen, sodass sie im Museum, im Austausch mit der Wissenschaft und in politischen Entscheidungsprozessen eine aktive Rolle einnehmen wollen. Nina Simon (2010) betont die Wichtigkeit, die Besuchenden anzuregen, über eine individuelle Auseinandersetzung mit den Ausstellungsinhalten hinauszugehen und dadurch die Erfahrung des Museumsbesuchs vom “me” zum “we” zu transformieren.  Beiträge der einzelnen Besuchenden können gesammelt und aggregiert präsentiert werden, beispielsweise indem die eigene Position zu einem kontroversen Thema anonym angegeben und dann aggregiert angezeigt wird – sei es über Wände mit handgeschriebenen Karten, digital über Terminals und Anzeigebildschirme oder auch durch bunte “Token”, die niedrigschwellig in gläserne Wahlbehälter eingeworfen werden. Die eigene Meinung der einzelnen Besuchenden kann auch durch Sticker oder Armbänder deutlich gemacht werden. Dadurch werden die Positionen von Mitbesuchenden sichtbar und man kann untereinander in Austausch treten. Und schließlich können verschiedene Formen direkter sozialer Interaktion – zum Beispiel in spielerischer Form – genutzt werden, um die verschiedenen Perspektiven auf ein konflikthaftes Thema zu verdeutlichen und die Besuchenden zur Auseinandersetzung anzuregen. Weitere Beispiele sind Debatten und Diskussionsforen, ‚Citizen Science‘ Programme, Workshops und Festivals (Bandelli & Konijn, 2011). Meyer (2009) zählt als weitere Möglichkeiten zur Förderung von Partizipation interaktive Darstellungsmethoden wie Puppenspiele, Talkshows, Pub-Quiz und ähnliches auf.

Vorausschauendes Planen von partizipativen Aktivitäten im Museum

Bei der Planung von partizipativen Aktivitäten im Museum muss bedacht werden, dass diese meist viel Organisationsaufwand mit sich bringen. Es sollte versucht werden, eine möglichst gemischte Gruppe an Bürger*innen mit Wissenschaftler*innen und politischen Entscheidungsträger*innen zusammenzubringen. Zudem müssen die (längerfristige) Finanzierung sowie der Umgang mit den gewonnenen Daten (z.B. die Entscheidungen der Teilnehmer*innen und die Empfehlungen für politische Entscheidungsträger*innen) im Vorfeld gut überlegt werden (Bandelli & Konijn, 2011).

Beispiel: Netzwerkprojekt „Decide“

Ein konkreter Ansatz zur Partizipation ist das Projekt „Decide“ – ein Netzwerkprojekt von mehreren Institutionen, z.B. Museen, Verbänden, Interessensgruppen und nicht-staatlichen Organisationen – mit dem ursprünglichen Ziel, Daten aus Debatten und Diskussionen über aktuelle und kontroverse wissenschaftliche Themen zu sammeln (Bandelli & Konijn, 2011). Beim Spiel „Decide“ gibt es zunächst eine Informationsphase, um die eigene Meinung zum Thema zu formen oder zu vertiefen und eine gemeinsame Basis zwischen den Teilnehmer*innen zu schaffen. Damit wird eine Grundlage für die in der zweiten Phase stattfindende Diskussion hergestellt. In der Diskussionsphase tauschen sich die Teilnehmer*innen aus und wägen ihre persönlichen Werte im Verhältnis zu den gesellschaftlichen Werten ab. In der dritten Phase sollen die Teilnehmer*innen die erhaltenen und diskutierten Informationen ordnen, um zu einer Entscheidung über mögliche Regeln oder Gesetzesentwürfe zu gelangen, indem sie über eine Reihe vordefinierter Richtlinien abstimmen und eigene Richtlinien erstellen (für mehr Informationen, siehe unsere Zusammenfassung von Bandelli & Konijn, 2011). Wichtig für diese Art partizipatorischer Aktivitäten ist, dass sie nicht (nur) als ‚Diskussionsübung‘ eingesetzt werden, sondern dass diese museumsinternen Aktivitäten möglichst mit externen, wissenschaftspolitischen Maßnahmen verknüpft werden.