Besucher*innenforschung am Beispiel des Bereichs Nutztierhaltung der Ausstellung Landwirtschaft und Ernährung

Im DFG-Erkenntnistransferprojekt „Vermittlung konflikthafter naturwissenschaftlicher Themen in Ausstellungen“ wollten wir u.a. klären, wie man einem heterogenen Museumspublikum in angemessener Weise kontroverse wissenschaftliche Inhalte vermitteln kann. Dabei setzten wir auf ein evidenzbasiertes Vorgehen, das durch den aktuellen Stand der psychologisch orientierten Besucherforschung und entsprechender psychologischer Theorie geleitet ist. Erkenntnisse aus unseren empirischen Studien sollten dabei direkt in die Gestaltung eines Ausstellungsbereichs zum Thema Nutztierhaltung im Deutschen Museum einfließen.  

Ermittlung des Status-Quo

In der ersten Projektphase haben wir zunächst den Status-Quo auf unterschiedlichen Ebenen bestimmt. Wir wollten zum einen ermittelnüber welche Erfahrungen Museumsprofessionals (also z.B. Kurator*innen und Volontär*innen) mit der Präsentation von kontroversen, wissenschaftlichen Ausstellungsthemen verfügen, für wie wichtig sie diese Thematik erachten und ob es einen Bedarf an Informationen zu diesem Thema gibt. Diese Befragung haben wir mithilfe eines Online-Fragebogens umgesetzt. Zum anderen haben wir eine Besucherbefragung direkt im Deutschen Museum durchgeführt, um herauszufinden, welche Erwartungen die Besuchenden an den neuen Ausstellungsbereich zum Thema „Nutztierhaltung“ haben. Stößt dieses Thema auf Interesse? Haben die Besuchenden bereits Vorwissen und eine Einstellung zu dem Thema?  

Kern des Projekts: Design-Studien

Nach der Ermittlung des Status-Quo haben wir eine Serie von Design Studien durchgeführt, in denen wir anhand einer Mock-up-Ausstellung mittels Fragebögen Besuchsverhalten, Motivation, Interesse, Affekt, Einstellung und Wissenserwerb der befragten Museumsbesuchenden ermittelt haben. Die Mock-up Ausstellung haben wir mithilfe eines Ausstellungsregals umgesetzt, in dem flexibel unterschiedliche Ausstellungsvarianten realisiert werden konnten. Die Mock-up Ausstellung war in einem Container im Innenhof des Deutschen Museums aufgebautUm Teilnehmende für die Studien zu gewinnen, haben wir Personen im Innenhof angesprochen, die gerade ins Museum gehen wollten und noch kein Ticket gekauft hatten. Das hat gut funktioniert, da es als Incentive eine Freikarte für das Museum gab. 

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In der ersten Design-Studie haben wir neutrale und konfliktbetonende Bildunterschriften systematisch variiert. Es zeigte sich, dass der kurze (Mock-up-)Ausstellungsbesuch von 5 bis 10 Minuten im Vergleich zu einer Kontrollgruppe ohne Ausstellungsbesuch zu einer Erhöhung des thematischen Interesses und zu einem Wissenszuwachs führte. Die Konfliktwahrnehmung wurde durch die Variation von Bildunterschriften aber nicht signifikant beeinflusst.  

In der zweiten Studie haben wir den Zugang zu den authentischen Ausstellungsobjekten systematisch variiert: Während eine Gruppe Fotos von Exponaten ansehen konnte, durfte eine andere Gruppe die authentischen Exponate ansehen. Einer dritten Gruppe von Besuchenden war es erlaubt, die authentischen Exponate anzusehen und zusätzlich anzufassen. Die haptische Exploration der Exponate wirkte sich zum einen positiv auf die Erinnerungsleistung an die Ausstellungsinhalte aus, zum anderen nahmen diese Befragten auch eine höhere Wahlfreiheit wahr (Novak et al., 2020).  

In der dritten Studie haben wir untersucht, inwiefern die Personalisierung von dargebotenen Informationen auf die Konfliktwahrnehmung wirkt. So wurden personalisierte Audiotexte mit nicht-personalisierten Audiotexten verglichen. Diese Variation hatte entgegen theoriebasierter Erwartungen und entsprechender Forschungsbefunde weder auf die Rezeption des konflikthaften Themas noch auf das Auswahlverhalten der Besuchenden einen signifikanten Einfluss. 

Die Design-Studien zeigten uns, dass sich theoretische Annahmen und etablierte Befunde, die man aus psychologischen Laborstudien kennt, nicht ohne weiteres „aufs Feld“ – also auf den Museumskontext – übertragen lassen, dass ihre Berücksichtigung aber hilfreiche Einblicke in die Prozesse und Effekte vor Ort erlauben. Unser Projekt hat deutlich aufgezeigt, dass es noch weiterer Besucherforschung und den Austausch von Wissenschaft und Praxis bedarf. 

Abschluss: Summative Evaluation

Um die fertige Ausstellung abschließend zu untersuchen, war eine summative Evaluation geplant. Leider konnte diese wegen zeitlichen Verschiebungen durch die Corona-Krise nicht mehr bzw. noch nicht stattfinden. Wir sind dennoch gespannt, wie die Ausstellung bei den Museumsbesuchenden ankommt und freuen uns, dass die Front-End-Evaluation und die formative Evaluation einen Beitrag zu der Ausstellungsgestaltung leisten konnten.

QUELLEN