Kontroverse Themen
im (naturwissenschaftlichen) Museum

Im Text Was ist eine wissenschaftliche Kontroverse wird beschrieben, dass es sowohl innerwissenschaftliche Kontroversen gibt als auch wissenschaftliche Kontroversen, die an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Gesellschaft (socio-scientific issues) entstehen. Beide Typen wissenschaftlicher Kontroversen sind zunehmend in naturwissenschaftlichen Museen zu finden (Meyer, 2009; Pedretti & Navas Iannini, 2020). Beispielsweise ist bei der Präsentation aktueller Wissenschaft und laufender Forschung der Dialog zwischen Wissenschaftler*innen noch im Gange – oftmals mit konkurrierenden Vermutungen und Stellungnahmen. Aber auch wenn die Forschung bereits abgeschlossen ist, kann ein wissenschaftliches Thema kontrovers sein, wenn es zum Beispiel bei der gesellschaftlichen Anwendung zu ethischen Disputen kommt (Hine & Medvecky, 2015).

Bekannte kontroverse Themen in naturwissenschaftlichen Ausstellungen sind oftmals in den Bereichen Biotechnologie (z.B. genetische Modifikation), Klima sowie Ernährung (z.B. Zuckersteuer, Nutztierhaltung) angesiedelt. Die Zielsetzung vieler Museen bei der Präsentation solcher Inhalte besteht darin, die Besucher*innen für die Themen zu sensibilisieren und sie dabei zu unterstützen, durch eine differenzierte(re) mentale Repräsentation zu einer eigenen (begründeten) Meinung zu gelangen. (Delicado, 2009; Pedretti, 2004).

Darstellung kontroverser Themen im Museum

In Museen und Ausstellungen können wissenschaftliche Kontroversen entweder anschaulich und ausgewogen dargestellt oder es kann zu socio-scientific issues direkt Stellung bezogen werden (Pedretti & Navas Iannini, 2020). Zugang zu verlässlicher Information bzgl. solcher Themen und die Möglichkeit sich (‚rechtzeitig‘) eine begründete Meinung zu bilden, ist eine wichtige Voraussetzung für individuelle Entscheidungsprozesse sowie die aktive Teilhabe an gesellschaftlichen Entscheidungs- und Entwicklungsprozessen von Bürger*innen einer von Wissenschaft und Technik geprägten demokratischen Gesellschaft. Manche Museen gehen einen weiteren Schritt, indem sie neben der Meinungsbildung eine direkte Teilnahme an politischer Entscheidungsfindung ermöglichen (Pedretti & Navas Iannini, 2020; siehe dazu auch Kontroversen und Partizipation). 

Vermeidung kontroverser Themen im Museum

In einigen Fällen werden kontroverse Themen in Museen jedoch bewusst vermieden. Oft hängt dies mit der Angst vor einer negativen Reaktion von Besucher*innen oder mit der persistierenden Behauptung zusammen, dass Wissenschaft nicht angezweifelt werden soll (Delicado, 2009; Meyer, 2009). Es gibt auch andere Gründe, kontroverse Themen in Ausstellungen zu vermeiden. Zum einen können sich kontroverse Themen schnell ändern, wenn es neue Erkenntnisse gibt. Sie sind damit für Ausstellungen als ‚langsames‘ Medium der Wissenschaftskommunikation weniger gut geeignet. Zum anderen kann der Einfluss eines Ausstellungssponsors dazu führen, dass von einer kontroversen (multiperspektivischen) Präsentation eines Themas abgesehen wird (Delicado, 2009; Meyer, 2009). 

Allerdings führt das Vermeiden kontroverser Themen oder kontroverser Aspekte eines Themas dazu, dass ein falsches Bild von Wissenschaft vermittelt wird. Außerdem werden die Besucher*innen nicht in der (Weiter-)Entwicklung ihrer Fähigkeit gefördert, wissenschaftliche Fakten selbst einzuordnen und zu bewerten, wenn nur ‚fertige‘, objektive Fakten, aber keine Kontroversen dargestellt werden (Hine & Medvecky, 2015). Somit spielen die Inhalte einer Ausstellung nicht nur eine große Rolle bei der Wahrnehmung einer konkreten Thematik, sondern generell bei der Wahrnehmung von Wissenschaft als beständig oder veränderlich (Hine & Medvecky, 2015).

Vertiefende Fokustexte

Ergänzend zu dieser grundlegenden Darstellung des Themas Kontroverse Themen im Museum werden vier weitere Texte zur Verfügung gestellt, die verschiedene Aspekte der Präsentation kontroverser Themen in Museen behandeln. Es wird darauf eingegangen, wie man Konflikte präsentieren kann, wie Konflikte und Partizipation verknüpft werden können und wie Museen gegen Filter Bubbles wirken können.

Literatur zum Thema Kontroverse Themen im Museum

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Delicado, A. (2009). Scientific controversies in museums: notes from a semi-peripheral country. Public Understanding of Science, 18(6), 759–767. Zur Zusammenfassung.
[Ausstellunggestaltung, Ausstellungsherausforderungen, Eigenschaften von Kontroversen, Partizipation]

Hine, A., & Medvecky, F. (2015). Unfinished science in museums: a push for critical science literacy. Journal of Science Communication, 14(2), 1-14.
[Eigenschaften von Kontroversen, Scientific Literacy, Unabgeschlossene Wissenschaft]

Meyer, M. (2009). From cold science to „hot research“. In F. Cameron & L. Kelly (Eds.), Hot topics, public culture, Museums (pp. 129-149). Cambridge Scholars Publishing. Zur Zusammenfassung.
[Ausstellungsgestaltung, Ausstellungsbeispiele, Eigenschaften von KontroversenPartizipation, Socio-Scientific Issues (SSI), unabgeschlossene Wissenschaft, Wandel des Museums]

Pedretti, E., & Navas Iannini, A. M. (2020). Controversy in Science Museums: Re-imagining Exhibition Spaces and Practice. London, England: Routledge. Zur Zusammenfassung.
[Ausstellungsgestaltung, Ausstellungsbeispiele, Eigenschaften von Kontroversen, Erwartungen an Museen, Socio-Scientific Issues (SSI), Wandel des Museums, Wissenschaftskommunikation]

Pedretti, E. G. (2004). Perspectives on learning through research on critical issues-based science center exhibitions. Science Education, 88(1), 34–47. Zur Zusammenfassung.
[Ausstellungsbeispiele, Ausstellungsgestaltung, Partizipation, Socio-Scientific Issues (SSI), Wandel des Museuns, Unabgeschlossene Wissenschaft]